Nachhaltige Geschäftsmodelle führen zu verbesserter Resilienz der Wirtschaft / Förderung von Unternehmen an Nachhaltigkeitskriterien koppeln 

In einer gemeinsamen Erklärung sprechen sich Prof. Dr. Florian Lüdeke-Freund, Professor für unternehmerische Nachhaltigkeit an der ESCP Berlin, und Prof. Dr. Dr. hc. Stefan Schaltegger, Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Leuphana Universität Lüneburg und Leiter des Centre for Sustainability Management (CSM), gegen konventionelle Wirtschaftsförderung nach der Corona-Pandemie aus. Die Nachhaltigkeitsexperten plädieren dafür, die Vielfalt an Geschäftsmodellen zu fördern und zu nutzen, um damit die notwendigen nachhaltigen Transformationsprozesse auf Unternehmensebene voranzutreiben. In einem Pressegespräch, das am 27.05. stattfand, erläutern die Experten ihre Thesen und beantworten die Fragen der Journalisten. Ebenfalls mit beteiligt an dem Pressegespräch ist Nanda Bergstein, Director Corporate Responsibility für den Bereich Unternehmensverantwortung bei der Tchibo GmbH. Unter diesem Link ist das vollständige Pressegespräch abrufbar: https://youtu.be/mqyCPC_8ybo.

Prof. Dr. Florian Lüdeke-Freund und Prof. Dr. Dr. hc. Stefan Schaltegger haben gemeinsam fünf Thesen formuliert, wie Nachhaltigkeit und Vielfalt die Wirtschaft resilienter gegenüber Krisen macht:

  • Konsumanreize sollten nachhaltigen Konsum und somit nachhaltige Geschäftsmodelle in verschiedenen Branchen fördern. Dafür gilt es, Branchen und Unternehmen zu unterstützen, die den Übergang in eine nachhaltige Wirtschaftsweise voranbringen. Eine zweite „Abwrackprämie“ für die Automobilindustrie – die in der Vergangenheit irreführend als „Umweltprämie“ bezeichnet wurde – zementiert hingegen nicht nachhaltige Konsum- und Wirtschaftsstrukturen. Die sinnvolle Alternative: ein allgemeingültiger „grüner“ Konsumgutschein oder eine direkte Förderung nachhaltiger Konsumenten*innen.
     
  • Die Nachhaltigkeit als Geschäftszweck sollte neben unternehmerischen Kennzahlen und Branchenzugehörigkeit wesentliches Förderkriterium sein. Fördermaßnahmen sollten nicht nur rasch, sondern auch zweckgebunden umgesetzt werden. Es darf nicht nur um die Unterstützung von Industriezweigen mit vielen Arbeitsplätzen wie die Automobilindustrie gehen. Soziale Geschäftsmodelle sind ebenso wesentlicher Teil unserer Gesellschaft. Sie müssen sicht- und förderbar sein. 
     
  • Der Einsatz öffentlicher Mittel sollte nicht nur der Wiederbelebung der Wirtschaft dienen, sondern auch ihrer zukunftsfähigen (Neu-)Gestaltung. Neue Prinzipien wie „Stakeholder-Orientierung“ und „nachhaltige Wertschöpfung“, wie sie etwa das World Economic Forum fordert, können Innovationsschübe auslösen und gehören somit in die Kriterienkataloge von Hilfs- und Förderprogrammen. 
     
  • Die lokale Mobilisierung von Arbeitskräften sollte ein zentrales Prinzip der Unternehmensförderung sein. Die teilweise „Re-Lokalisierung“ von Produktion und Produktionsmitteln ist wesentlicher Bestandteil nachhaltiger Geschäftsmodelle. Folgen z.B. Industrieunternehmen dem Leitbild der „Circular Economy“, werden materielle Ressourcen schrittweise durch menschliche Arbeitsleistung und Serviceangebote ersetzt. In der Landwirtschaft bedeutet dies, lokale Ressourcen und Arbeitskräfte einzusetzen. 
     
  • Die aktuelle virale Pandemie zeigt, welche Geschäftsmodelle besonders robust und anpassungsfähig sind. Vor allem Digitalkonzerne sind die Krisengewinner. Aufgabe von Politik und Wissenschaft ist es, herauszufinden, wie diese Geschäftsmodelle mit Beiträgen zu einer resilienten und nachhaltigen Wirtschaft vereinbar sind. Förderprogramme für nachhaltige Digitalunternehmen müssen dringend aufgelegt werden. 

Hintergrund: 
Quer durch die Gesellschaft fordern Wissenschafts- und Wirtschaftseinrichtungen, politikberatende Institutionen, Nichtregierungsorganisationen und Umweltschutzverbände, notwendige staatliche Wirtschaftshilfen nach dem Abklingen der Corona-Pandemie mit Nachhaltigkeitskriterien zu verknüpfen. Die Bedenken sind groß, dass mit den derzeit diskutierten Fördermaßnahmen alte Wirtschaftsstrukturen verfestigt und Prozesse für einen nachhaltigen Wandel blockiert werden: „Unternehmen müssen das Rad nicht neu erfinden und sollten den nachhaltigen Transformationsprozess als Chance sehen. Es gibt vielfältige nachhaltige Geschäftsmodelle, die sich nachahmen lassen“, sagt Prof. Dr. Florian Lüdeke-Freund. Gemeinsam mit einem Team aus internationalen Geschäftsmodell-Expert*innen hat er elf Mustergruppen für nachhaltig aufgestellte Organisationen identifiziert. Wer das eigene Unternehmen nachhaltig ausrichten will, könne sich daran orientieren. Prof. Dr. Stefan Schaltegger sieht zum Beispiel in Geschäftsmodellen, die den Kauf von Produkten durch Dienstleistungen ersetzen, eine Chance zur Entwicklung nachhaltiger Angebote und neuer Geschäftsfelder: „Dienstleistungen, die auf der Nutzung von Produkten durch mehrere Personen aufbauen, können vor Ort oder digital angeboten werden. Dies kann nicht nur den Ressourcenverbrauch reduzieren, sondern auch die Abhängigkeit von globalen Lieferketten, die in der Corona-Krise viele Firmen vor massive Probleme stellt.“ Beide Nachhaltigkeitsexperten plädieren dafür, die vorhandene Vielfalt an Geschäftsmodellen zu fördern und zu nutzen, um die notwendigen nachhaltigen Transformationsprozesse auf Unternehmensebene voranzutreiben.
„Die sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Lebens- und Wirtschaftsweise bleiben sehr groß. Business as usual reicht nicht mehr aus. Es braucht neue Lösungen und ein Umdenken mit Blick auf Geschäftsverhalten und Konsum, sagt Nanda Bergstein, Director Corporate Responsibility für den Bereich Unternehmensverantwortung bei der Tchibo GmbH.

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